Erdlinge Tierstudien 27/2025

Veranstalter
Neofelis-Verlag
PLZ
10439
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
01.03.2024 -
Deadline
15.07.2024
Von
Jessica Ullrich

Oft werden bei den Diskussionen um Böden, Erde und Land die Tiere ausgelassen oder nur am Rande erwähnt. Deshalb stellt die übernächste Ausgabe von Tierstudien die Erdlinge in den Fokus. Sie beschäftigt sich mit Tieren, die in oder unter der Erde leben, die Erde herstellen oder die von der prekären Situation der Böden besonders betroffen sind. Denn Erde ist im empathischen Sinn lebendig und ermöglicht Leben.

Erdlinge Tierstudien 27/2025

Bruno Latour nennt die dünne, zerbrechliche Schicht, auf der alle Lebensformen koexistieren, „Critical Zone“ und fordert zu einem postanthropozentrischen „terrestrisch Werden“ auf. Tatsächlich ist Erde (terra) Grundlage allen Lebens, sie stellt Nahrungsmittel für alle Tiere bereit und bietet Lebensräume. Böden beherbergen bis zu einem Viertel der irdischen Biodiversität, speichern zwei Drittel des Süßwassers und stellen einen der größten Kohlenstoffspeicher des Planeten dar. Doch bis zu 40% aller Böden sind geschädigt: Erde wird weggespült, versiegelt, vergiftet, versalzen, verschmutzt, verseucht, ausgedörrt, ausgelaugt und überdüngt. Fracking, Extraktivismus und die industrielle Landwirtschaft stellen Bedrohungen für die Integrität der Erde dar. Anthropogene Erdrutsche bedrohen ebenso wie Erdbeben Menschen und andere Tiere. Neben dem Verlust der Biodiversität und dem Klimawandel wird die Vernichtung von Böden als dritte große Krise des ‚Anthropozäns‘ erkannt. Längst wurde vorgeschlagen alternativ von der gegenwärtigen Epoche als vom ‚Plantationcene‘ zu sprechen, wodurch die Bedeutung von Land als Ort des Anbaus, aber auch als Schauplatz oder Opfer von Gewalt und kapitalistischer und kolonialer Ausbeutung impliziert wird.

Oft werden bei den Diskussionen um Böden, Erde und Land die Tiere ausgelassen oder nur am Rande erwähnt. Deshalb stellt die übernächste Ausgabe von Tierstudien die Erdlinge in den Fokus. Sie beschäftigt sich mit Tieren, die in oder unter der Erde leben, die Erde herstellen oder die von der prekären Situation der Böden besonders betroffen sind. Denn Erde ist im empathischen Sinn lebendig und ermöglicht Leben. Erde wimmelt nur so vor Würmern, Käfern, Milben, Spinnen, Schnecken, Asseln, Engerlingen und Milliarden Mikroorganismen. Sie kompostieren, sanieren und restaurieren Böden und stellen Erde her. Doch die Tiere, die für die Existenz und Gesundheit von Böden zuständig sind, gehören nicht zur charismatischen Megafauna: Sie sind manchmal mikroskopisch klein oder bleiben menschlichen Augen in ihrer unterirdischen Existenz gänzlich verborgen. Auch erscheinen sie Menschen aufgrund ihrer differenten Sinne, Körper und Physiologien oft besonders fremdartig.

Dabei teilen manche Menschen und viele andere Tiere durchaus erdbezogene Praktiken: Beispielsweise bauen beide Behausungen in der Erde, betreiben Geophagie (das Essen von Erde) oder nutzen Erde zur Hautpflege (man denke etwa an Schlammbäder von Elefanten oder Schweinen). Maulwürfe, Mäuse, Kröten und auch größere Säugetiere überwintern in Erdhöhlen, graben Gänge, legen unterirdische Wohnräume an, gestalten mit Aushub Landschaften. So hat Charles Darwin fasziniert von der weltbildenden Agency von Würmern ihnen sogar sein erstes Buch gewidmet.

Auch in menschlichen kulturellen Praktiken finden Erde und Tiere zusammen: Erde war vermutlich das erste künstlerische Material, und Tierfiguren aus Lehm, Ton, Terrakotta und Keramik gehörten zu den ersten Werken der Bildhauerei. Manche Tiere werden in der Erde bestattet; es existieren Rituale, bei denen Erde mit Tierblut fruchtbar gemacht wird, und Tiere spielen z.B. als Ahn:innen eine wichtige Rolle in indigenen Vorstellungen vom Land. In den Naturwissenschaften geben Sedimente und archäologische Ausgrabungen, aber auch Fossilien oder tierliche Moorleichen Aufschluss über die gemeinsame Vergangenheit.

Schon immer ist also das Schicksal aller Erdlinge, egal ob menschlich oder mehr-als-menschlich, über erdgebundene Phänomene, Praktiken und Diskurse eng miteinander verzahnt. So betont Donna Haraway die sympoietische Qualität und materielle Bedeutung von Erde für die Zukunft des Menschen und besteht darauf: „We are compost.“ Und der Ökofeminismus hat die strukturelle Analogie der Ausbeutung von Erde mit der Ausbeutung von Tieren herausgearbeitet. Genauso bedingen sich die Gesundheit von Böden und von vielen Tierarten gegenseitig, Homo sapiens eingeschlossen.

Es werden für diese Ausgabe von Tierstudien Beiträge über Erdlinge und belebte Erde aus allen Forschungsfeldern gesucht. Abstracts von nicht mehr als 2.000 Zeichen senden Sie bitte bis zum 15. Juli 2024 an jessica.ullrich@neofelis-verlag.de. Die fertigen Texte dürfen eine Länge von bis zu 22.000 Zeichen haben (inkl. Leerzeichen und Fußnoten) und müssen bis zum 1. November 2024 eingereicht werden. Danach gehen sie zur Peer Review an den wissenschaftlichen Beirat von Tierstudien. Auf Grundlage der Gutachten des wissenschaftlichen Beirats wird über die Annahme der Texte zur Veröffentlichung entschieden. Erscheinungsdatum für die angenommenen Texte ist April 2025.

Kontakt

jessica.ullrich@neofelis-verlag.de

https://neofelis-verlag.de/verlagsprogramm/zeitschriften/tierstudien
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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